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Ab in den Badezuber im Winterdorf Schmilka

Verantwortlicher Autor: Antje Urban Schmilka, 23.12.2024, 14:08 Uhr
Nachricht/Bericht: +++ Reise & Tourismus +++ Bericht 4019x gelesen

Schmilka [ENA] Wie zwei vornehme Damen aus der Großstadt halten wir unsere empfindlichen Nasen in den riesigen Holzbottich, indem sich ein trübes, gelbliches Gemisch aus Badewasser und Starkbier befindet. Es steigt ein unangenehm riechender Dampf auf, der die Sinne zu vernebeln scheint. Mein Blick geht zu meiner Freundin, die ebenfalls die Nase rümpft. Hier sollen wir drin baden? Heute ist Bierbade-Ritual im Winterdorf Schmilka.

Sven-Erik Hitzer, der vor zwanzig Jahren zum Klettern hierher kam und sich in das verfallene, verschlafene Holz- und Fischerdörfchen unterhalb des Winterbergs verliebte, ist jetzt Herr eines Bio-Refugiums. Die kleinen Fachwerkhäuser hat er nach und nach sanieren lassen, die alte Mühle wieder aufgebaut, die alte Holzofenbäckerei wiederbelebt und eine Brauerei an die uralten Felsgewölbekeller bauen lassen. Und das alles unter dem Credo des nachhaltigen Tourismus. Fast alle Einwohner arbeiten mit oder bei ihm, 2017 hat er für sein Konzept die Auszeichnung zum schönsten Dorf Sachsens erhalten. Keine Stunde später ist im Mühlenhof von Schmilka der Badezuber voll mit vier lustigen Erwachsenen - bei vier Grad Minus Außentemperatur.

Dieses Dorf, das nur 62 Häuser zählt und nicht mehr als 80 Einwohner, bietet mehr Vergnügen an diesem Abend als so manche Après-Ski-Hütte. Und das ganz ohne laute Musik und betrunkene Menschen in Skihosen. Stattdessen ein idyllisches Tal, umgeben von riesigen, dunklen Felsen, ein romantischer Mühlenhof mit einem Wasserrad anno 1665 und das alles in ein warmes Licht aus Ofenfeuer, Lichterketten und weihnachtlichen Leuchtsternen getaucht. Dazu ein Ausschank mit Glühwein, Bio-Bier und lauter aufgeschlossenen Menschen. So wie Martin und Helga aus Leipzig. Sie haben den Aufenthalt im Winterdorf Schmilka von ihren Kindern zu Weihnachten geschenkt bekommen: „Jetzt im Winter wirkt hier alles völlig anders und viel ruhiger ohne viele Touristen."

Das Winterpaket im Biodorf Schmilka beinhaltet die Übernachtung im 1993 ersten Bio-Hotel Deutschlands, dem Hotel Helvetia. Hier nahm die Bio-Bewegung sozusagen ihren Anfang. Der Leitspruch „100 Prozent Bio“ wird in ganz Schmilka konsequent gelebt: von der Bio-Vital Küche über die Nutzung von Ökostrom aus regenerativen Energie-quellen bis hin zu Elektroautos. Doch dem Visionär Hitzer liegt vor allem die ökologisch-verträgliche Bauweise seiner Gebäude am Herzen. Die Häuser sind ökologisch saniert, die Zimmer nach baubiologischen Standards eingerichtet mit geseiften Holzbö-den, Naturfarben und -textilien und Naturlatexmatratzen – ideal für Allergiker und für Gäste, die mal ein rundum gutes Gewissen haben wollen.

Es gibt viel gute Luft. Und viel gesundes Essen. Wir sammeln an zwei Tagen Bio-Vital-Kost Vitamine und Proteine für die nächsten zwei Wochen. Wer will, darf vegan, vegetarisch oder auch mit Bio-Fleisch speisen. Wer sich in den stillen Tagen nach Schmilka zurückgezogen hat, der trifft sich spätestens zum Frühstück im Dorf. Denn das Frühstück wird in der kuscheligen Mühlenstube – schon am Morgen mit der Wärme des prasselnden Holzofenfeuers - eingenommen. Das nur wenige Meter weiter in der vielleicht kleinsten Bäckerei der Welt gebackene Sauerteigbrot schmeckt hervorragend.

Am Abend lauschen wir den Tango-Klängen eines 90 Jahre alten Bandoneons. Auch das gehört zum Winterpaket dazu – neben Lesungen, Vorträgen oder Konzerten an ande-ren Tagen. In der letzten Nacht schenkt uns der Himmel noch ein bisschen Schnee und am Morgen ist die Felsenlandschaft rund um das kleine Dorf in ein sanftes Weiß gehüllt. Noch ver-träumter erscheint nun die Elbe, wie sie lautlos an Schmilka vorbeifließt. Die Bastei muss jetzt in ihrem weißen Kleid noch magischer ausschauen. Wir aber müssen mit sauerstoff-getankten Lungen und vitamingestärkten Mägen Schmilka verlassen - den Ort im gefühlten Nirgendwo und doch nur 30 Kilometer von Dresden entfernt.

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