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Drewermann fordert Abschaffung des Strafrechts

Verantwortlicher Autor: Sergej Perelman Kirchheim unter Teck (BW, DE), 17.11.2021, 21:37 Uhr
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Richterhammer. Symbol für das Strafrecht.
Richterhammer. Symbol für das Strafrecht.  Bild: Arek Socha. www.pixabay.de.

Kirchheim unter Teck (BW, DE) [ENA] "Die Zukunft des Strafrechts ist seine Abschaffung!", so die Kernforderung des Theologen, Psychotherapeuten und Schriftstellers Dr. Eugen Drewermann in seiner Online-Vorlesungsreihe "Richtet nicht!". Sie gründet auf seiner 3-bändigen Buchreihe: "Richtet nicht! Christentum und Strafrecht".

"Keine Strafe ohne Schuld! Nulla poena sine culpa", wird mehrmals von Drewermann zitiert, um anschließend zu einer der zentralen Thesen seiner Vorlesungsreihe überzuleiten und diese zu begründen. Diese lautet: Schuldfähigkeit lässt sich bei Straftätern nicht erkennen, da diese nur dort vorliegen kann, wo ein freier Wille herrscht, um zwischen Recht und Unrecht überhaupt entscheiden und handeln zu können. "Je schlimmer die Tat, desto unfreier ist der Täter.", so lautet eine Formel des erfahrenen Psychotherapeuten. Spätestens die Erkenntnisse der Neurologie widerlegten die Existenz eines freien Willens. Die Methodik aller Naturwissenschaften insgesamt schließt Freiheit aus, da hier nur der Kausalsatz zu Erklärungen und Erkenntnissen führt.

"Wie kommt ein Mensch dazu lasterhaft zu sein?", ist eine weitere zentrale Fragestellung. Die Antwort der Vorlesungsreihe: Not, Unglück, Verzweiflung, die es verunmöglichen, frei als ein selbstbestimmtes reifes Selbst zu handeln. Doch wie soll die Alternative zur Strafjustiz aussehen? Dazu stellt Drewermann fest: "Wir könnten alle Begründungen eines Urteils 'Lebenslänglich und für immer!' umändern, wenn wir Verständniskategorien einführen würden, statt psychiatrischer Beurteilungen. Sie helfen uns nicht weiter. So viel steht fest." (1) Dabei bezieht sich Drewermann beispielhaft auf das aktuelle Urteil über den Fünffachmord einer Mutter an ihren Kindern.

Freiheit hält Drewermann also nicht für unmöglich. Er kritisiert ledigich die Naturwissenschaft, indem er ihr vorwirft einem Irrtum aufzuliegen, wenn sie, nur weil ihre eigene Methodik das Vorhandensein von Freiheit ausschließt, völlig reduktionistisch die Unmöglichkeit von jeglicher Freiheit bewiesen zu haben glaubt. Seine Definition menschlicher Freiheit beschreibt Drewermann wie folgt: "Freiheit aber lässt sich nur begreifen in der Innenansicht des Subjekts. Freiheit ist identisch - Hegelianisch - mit dem Zu-sich-selbst-gekommen-sein des Subjekts; psychologisch: mit der Selbstidentität des Subjekts. Wie soll die von außen festgestellt werden?"(2)

Darüber hinaus unterstreicht Drewermann, dass Freiheit nichts Fertiges und Statisches, sondern ein Prozess ist, in dem das Subjekt im Gegenüber eines anderen Subjekts, das nicht richtet, immer mehr Selbstverfügung erlangt. Philosophisch begründet er es, indem er eine Synthese aus der These Kants, Freiheit ist ein Postulat der Vernunft, um das Sittengesetz zu erfüllen, und Hegels Begriff vom Werden der Wirklichkeit herstellt. (3)

Drewermann skizziert den Weg in die Freiheit so: "Es müsste der Betreffende, die Kontrollperson, erzählen: Wie sie groß wurde?, Wie sie sich erlebt hat?, Welche Eindrücke für sie maßgebend wurden?, Wie ihr Charakter sich geprägt hat? Das ist nur erzählbar, wenn sie ein Vertrauen bildet, das sogar stärker ist als die die Angst, die Scham, ihre Selbstverurteilungsmechanik, die in dem Betreffenden selber weiter abläuft. Sie merken, dass das, was wir Anamnese nennen die Einleitung, vielmehr schon sogar der Teil dessen ist, was wir Psychotherapie nennen. Sie kann sich nur vollziehen, wenn eine menschlich helfende Begegnung gemeint und intendiert ist." (4) Verstehen, an den Anderen mehr glauben, als er es selbst kann, statt zu richten.

Quelle (1) https://www.youtube.com/watch?v=cOvuBwAbZbg, (1:06:00). (2) Ebd. (3) Vgl. ebd. (4) Ebd., (1:15:00).

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